[b][u]Dexter & Tod Kapitel 2 - Jäger und Gejagter[/u][/b] Copyright 2017 by Simplemind Noch saß der Mäuserich Tod in seinem Bau und putzte sich, um die Schläfrigkeit zu vertreiben. Wie jeden anderen Tag auch, würde er heute wieder auf Futtersuche gehen. Bis zum Winter ist es zwar noch lange hin, also müsste er sich mit dem Anlegen eines Vorrates noch nicht beeilen, aber es kann auch nicht schaden schon mal etwas vorzusorgen. Zudem hatte ein gut für die harte Jahreszeit gerüsteter Mäuserich bei der Damenwelt eine gute Chance Eindruck zu schinden. Das und dich Aussicht bei Schneefall nicht verhungern zu müssen, wahren Grund genug die täglichen Gefahren und Strapazen auf sich zu nehmen. Und so wagte sich die kleine Maus aus der Sicherheit seiner Höhle in den Wald hinaus. Dass sein Bau genau in Dexters Territorium lag, und somit mitten im Streifgebiet eines Fuchses - dem Erzfeind einer jeden Maus, war zwar nicht gerade vorteilhaft, aber bisher hatte Tod es noch immer geschafft ihm ein Schnippchen zu schlagen. Er war sich sicher, dass er es auch heute wieder schaffen würde, sollte der alte Fuchs auftauchen. Nichts desto trotz blieb er stets wachsam. Der Wald war zu dieser Jahreszeit reich an Futter. Es gab viele Gräser und Pilze die essbar waren. Unzählige Insekten, bei denen man nur flink genug sein musste, um sie zu erwischen, warteten darauf, gefressen zu werden. Einige Pflanzen trugen bereits Früchte oder Samen. Gerade eben kreuzte sich Tods Weg mit dem einer fetten Raupe, die er sich schmecken ließ. Natürlich zogen die kleinen Tiere, welche vom üppigen Nahrungsangebot des Frühjahres aus ihren Verstecken gelockt wurden, selbst die größeren Tiere des Waldes an, was den Frühling gleichsam zu einer Zeit des Überflusses, aber auch zu einem gefährlichen Überlebenskampf machte. So hatte Tod den Fuchs Dexter und seinen jüngeren Freund seit der gestrigen Versammlung nicht mehr gesehen, aber man erzählte sich, dass die beiden, nahe der Eiche, zusammen ein Kaninchen gerissen haben. Gerade dachte die Maus an das Schicksal des Hasen, als über ihr etwas raschelte und sie erschrecken ließ. Vorsichtig blieb Tod stehen, um den scharfen Blicken eines Vogels, der sich vielleicht auf einem Ast niedergelassen hatte, zu entgehen. Eine überstürzte Flucht könnte ihn jetzt verraten. Langsam schob er seinen Kopf nach oben, um zu erspähen, was das Geräusch verursacht hatte. Immerhin: Bis jetzt hatte er noch kein Zwitschern oder Vogelschreie hören können. Das einzige, was er noch sehen konnte, war wie ein kleines, rotes Etwas um einen Baumstamm herumflitzte und sich so seiner Blicke entzog. Ein Vogel war das nicht, soviel wusste Tod bereits, aber seine Deckung verließ er erst, als sich das kleine, rote Etwas zeigte und er wusste, dass keine Gefahr bestand. „He, Tod!“, grinste das Eichhörnchen zu ihm herunter. Es war dasselbe Eichhörnchen, dass Tod gestern bei seiner Flucht behilflich war, und er kannte es gut. „Hey, Rudi! Was machst du denn hier? Du hast mich ganz schön erschreckt. Ich dachte schon, du wärst ein Vogel“, gestand Tod ein. Das Eichhörnchen Rudi, dass sich auf dem tiefhängenden Ast einer jungen Erle niederließ, um keine Aufmerksamkeit auf seinen Freund zu lenken, der zwar gut klettern konnte, im Gegensatz zu ihm aber nicht für ein Leben in den Bäumen geschaffen war, sprach mit gesenkter, aber heiterer Stimme: „Dann hast du wenigstens aufgepasst.“ „Immer doch!“ „Dann solltest du vielleicht besonders in dieser Richtung aufpassen“, warnte Rudi ihn und deutet in den Wald hinter der Maus. „Der alte Dexter streunt hier in der Gegend herum. Ich hab ihn eben noch ganz in der Nähe gesehen!“ „Danke, für die Warnung, Rudi.“ „Gerne!“ „Du hast‘s dem alten Rotschopf gestern übrigens ganz schön gezeigt!“, sagte Tod und sah sich nach dem lauernden Fuchs um. Rudi kicherte. „Immer doch!“, erwiderte er und krabbelte, flink wie eine Spinne, den Baum hinauf. „Pass auf dich auf!“, rief er Tod noch zu, bevor er über den langen Ast eines benachbarten Baumes kletterte und in den Baumgipfeln verschwand. Durch seinen treuen Freund gewarnt, suchte Tod schnell Zuflucht im Unterholz. Der hohe Farn bot guten Sichtschutz und die zahlreichen, alten, am Boden liegenden Äste der Bäume eigneten sich, um etwaige Verfolger zu behindern, während er schnell unter ihnen hindurchlaufen konnte. Die Maus glaubte sich dem Fuchs zwar überlegen, dennoch war es nie gut ein unnötiges Risiko einzugehen. Erst recht nicht, wenn sein Leben davon abhing. Um bei seiner Entdeckung einen möglichst kurzen Weg zurück zu seinem Bau zu haben, beschloss Tod, sich wieder auf den Rückweg zu machen. Besser einen Tag ohne Futter unter der Erde aussitzen, als selbst zum Futter zu werden. Doch noch bevor Tod allzu weit kam, sah er auch schon Dexters roten Pelz zwischen den Bäumen und Sträuchern hin und her streifen. Mit spitzen Ohren und gesenkter Rute schritt Dexter leichtfüßig durch den Farn, die Nase nahe am Boden. Eifrig schnupperte er nach dem nächsten Unglücklichen, der seine Beute werden sollte. Vielleicht hatte er sogar schon Tods Witterung aufgenommen und war der Maus hierher gefolgt? Es wäre nicht das erste Mal, dass der alte Fuchs Tod gezielt auflauerte oder, wenn schon nicht aus Jagdtrieb, ihn einfach zum Spaß durch den Wald hetzte. Zu oft hatte der kleine Nager schon des großen Fuchses Stolz verletzt und ihn zum Narren gehalten. Sofort sah Tod sich um, suchte nach einer Möglichkeit sich zu verstecken. Doch abgesehen vom Farn und den Ästen bot der Wald an dieser Stelle keinen geeigneten Schutz vor dem Fressfeind. Immer näher kam ihm der Fuchs, und Tod wusste, dass er schnell und leise sein musste, um ihm noch zu entkommen. Zum Glück lag der größte Vorteil einer Maus darin, besonders klein, flink und wendig zu sein. So gelang es ihm, sich zwischen den Farnblättern hindurchzuwinden, ohne diese zum rascheln zu bringen. Aber all sein Können half Tod in dieser Lage auch nicht weiter, denn der Fuchs hatte längst schon seinen Geruch wahrgenommen und wartete nur noch auf seine Gelegenheit. Und als sie gekommen war, schnellte der immer noch agile Jäger mit einem mächtigen Satz in die Höhe und stieß seiner baldigen Mahlzeit mit den Vorderpfoten entgegen. Aus der Ferne sah man nur einen roten Rücken kurz über dem Farn aufragen und hörte dann ein leises Rascheln der Blätter. Tod aber hörte das Grün um sich herum toben, als Dexters Pfoten auf ihn herab sausten. Nur um Haaresbreite gelang es ihm dem gefürchteten Maussprung seines Feindes zu entgehen. Doch damit allein war die Gefahr nicht gebannt. Ohne zu zögern schoss Dexter der flüchtenden Maus hinterher, die all ihr Geschick und ihre Stärke einsetzte, um dem Tode durch Fressen zu entrinnen. Der Farn, welcher ihn zuvor noch vor dem Prädator zu verbergen vermochte, bot nun so gut wie gar keinen Schutz mehr. Eher gegenteilig verhielt es sich, als Tod mühevoll den Basen der Gewächse ausweichen musste, während sein Verfolger einfach über sie hinweg schritt. Auch die Äste konnten den Fuchs, der über die Jahre hinweg nichts von seinem Geschick und seiner Listigkeit eingebüßt hatte, nicht lange aufhalten. „Warte nur, bis ich dich erwische, Maus!“, kläffte Dexter, dicht hinter ihm. Schneller und schneller holte er zu Tod auf. „Wenn ich dich erst mal zwischen die Zähne kriege, wirst du dir noch wünschen, ich hätte dich schon bei unserer ersten Begegnung aufgefressen! Du glaubst doch wohl nicht, dass ich dir den Abgang leicht mache, du zu kurz gekommene Ratte?!“ Und während Dexter Tod weiter wüst beschimpfte und ihm auf ausführlichste Weise beibrachte, was er denn alles mit ihm anstellen würde, wenn er ihn erst einmal geschnappt hätte, rannte die kleine Maus um ihr Leben. Über und unter den Ästen und Wurzeln hindurch suchte er sich seinen Weg und versuchte den Fuchs bei jeder sich bietenden Gelegenheit abzuschütteln. Er kletterte durch Sträucher und Dornenbüsche und wand sich durch einen Haufen Steine, in der Hoffnung seinen Verfolger verwirren und entkommen zu können, aber so leicht ließ sich Dexter nicht an der Nase herum führen. Dann aber endete die wilde Verfolgungsjagt abrupt. Als Tod versuchte einen Baumstamm zu überspringen, der seinen Weg blockierte, und dessen Umrundung ihn vermutlich nicht nur seinen kostbaren Vorsprung sondern auch sein Leben gekostet hätte, rutschte er auf der seltsam glatten Oberfläche ab. Noch immer außer sich von der kraftraubenden Hatz und orientierungslos durch den Sturz, begriff Tod seine Lage erst, als er zwischen die Äste des Stammes rutschte und diese sich, zu seiner Verwunderung, ganz und gar nicht wie Holz anfühlte, als er gegen sie prallte. Sein Fall war noch nicht ganz zu ende, da spürte Tod, wie sich der glatte und viel zu weiche ‘Stamm‘ um seinen kleinen Körper schlang und ihn fest umklammerte. Aus dem Augenwinkel heraus konnte er noch Dexters roten Pelz sehen, der kurz vor ihm zum Stehen gekommen war, bevor sich der gewaltige Kopf des Wesens, welches ihn festhielt, vor ihm erhob und seine ganze Aufmerksamkeit auf sich zog. Kühl und starr glotzten ihn die beiden dunklen Augen an, während die gespaltene Zunge zwischen seinem Maul hervorzischelte.